FOLGE
DER FREUDE

Ciao vecchia volpe - con un grande cuore,

daß du jetzt - in diesem noch jungen Jahr (wie du schreibst) - deinen inneren Vorhang lüftest und dieser mißverständlichen Welt dein großes Herz offenbarst, ist schon allein ein beneidenswerter Schritt und ein mutiger dazu.
Der künstlerisch-beseelte Mensch wie du, ist m.E. leichter verwundbar als z.B. der von Terminen gehetzte Unternehmer, der in einem Dauerrausch der Ablenkung vor seiner Zerbrechlichkeit flüchtet. Der Künstler kann nur wie ein Kind seiner inneren Stimme folgen und das Zusammenspiel seiner Geschichten orchestrieren. Er kennt keinen Ausweg mehr, wenn er einmal die geheime Tür seiner Phantasien < sein inneres Archiv, seinen geistigen Fundus > aufgesperrt und nach außen getragen hat. Er ist angreifbar in jeder Hinsicht, will heißen : er ist dem Argwohn des Scheelsüchtigen genauso ausgeliefert, wie der Umarmung des liebenden Betrachters und Gönners.
Er lehnt sich aus dem Fenster seiner Seele und fällt immer wieder zurück in seine traumatischen, aber auch faszinierenden Erfahrungen, indem er ihnen ein Gesicht verleiht, in welchem sich der Betrachter nicht selten selber erkennt. Damit geht er den 1. Schritt in Richtung Symbiose > hin zur Verschmelzung mit seinem Umfeld und inspiriert sein Gegenüber vielleicht zu einer ähnlichen Mutprobe. Und das kann oft sehr befreiend sein, wenn man seine eigene Stimme wieder hört, welche womöglich über Jahrzehnte hinweg, vom Geknatter der Rechthaberei übertönt und verstummt worden ist.
Die bildende und gestaltende Kunst, die Musik, die Poesie und Literatur, aber auch die Welt der Zirkusse und ähnliches, beflügeln uns Menschen immer wieder und führen uns zurück in das tiefe Vertrauen der Kindheit, so sich diese einigermaßen ungestört ausbreiten konnte. Ich erinnere mich zu gerne, an unsere gemeinsamen Kindheitstage, wo wir im Hinterhof beim Schupferwirt durch dunkle Scheunengänge schlüpften und mitunter in der nach Essig riechenden Küche der Mutter eines gleichaltrigen Bubens, namens Oswald, landeten. Diese "Unterwelt" hat mich als Kind wahnsinnig beflügelt und mich immer wieder dazu verleitet > in ihrer geheimnisvollen Dunkelheit meine Tapferkeit zu suchen.
Wobei uns diese mittlerweile versunkene Arena, gepaart mit unseren kindlichen Phantasien, wiederholt fortgetragen hat in die kühnsten Nischen der Selbsterfahrung und wir sind durch sie gereift wie der Apfel auf dem Baum.
Die 60-iger Jahre waren eine beispiellose Epoche der unendlichen Möglichkeiten und wir  Kinder durften teilhaben an den Träumen der Erwachsenen, die im Unterschied zur heute, irgendwie entspannter in die Zukunft schauten. Wir sind die Nachzügler der 68-iger Generation und wurden getragen von Parolen, wie Love and Peace, Miniröcke und Blumen in den Haaren.
Ein krasser Gegensatz zu dieser corona-getrübten Gegenwart, die sich vor allen und jedem fürchtet und der jegliche Begeisterung abhanden gekommen ist.
Und gerade deshalb ist die Freilegung deiner künstlerischen Schätze in dieser Zeit des Verstummens, von unschätzbarem Wert.
Dein Triptichon "Gedankensprünge" hat mich zuerst berührt > mit seiner Zartheit und Verspieltheit und mit einer Farbkomposition und Symbolik, für das mein Gemüt besonders empfänglich ist. 
Ich könnte mir gut vorstellen, daß meine poetisch/musikalische Ader beim Zusehen wie du Bilder erschaffst, angeregt werden könnte > den Geist aus der Flasche raus zu lassen. Natürlich in bescheidener Anwesenheit einer Flasche Dolcetto d'Alba.

Vielleicht wäre dies ein Versuch wert, zumal du von Ansteckung und Inspiration gesprochen hast.

Ich wünsche dir - caro amico- und mir selber ebenfalls, eine geruhsame Nacht.

mico