KUNST-WELT

Kulturbranche härter getroffen als der Tourismus

Ausschnitt aus dem Artikel im Spiegel Kultur, 27.01.2021 

Quelle: Spiegel.de


Kunst und Kultur sind wichtig – auch aus ökonomischer Sicht.
Eine Studie zeigt: 2020 hat die Kreativbranche europaweit einen Umsatzverlust von 31 Prozent erlitten.
Das Corona-Jahr 2020 hat die Kultur- und Kreativwirtschaft rund 31 Prozent ihrer Einnahmen gekostet. Dies geht aus einer Studie hervor, die das Wirtschaftsberatungsunternehmen Ernst & Young im Auftrag von 32 der größten europäischen Verwertungsgesellschaften erarbeitet hat. Der Gesamtumsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft in der EU werde auf 444 Milliarden Euro im Jahr 2020 vermindert, was einem Nettorückgang von 199 Milliarden EUR gegenüber 2019 entspreche.
Mit einem Umsatzverlust von 31 Prozent sei die Kultur- und Kreativwirtschaft einer der von der Coronakrise am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige in Europa, etwas weniger als der Luftverkehr, aber mehr als die Tourismus- und Automobilindustrie (minus 27 Prozent beziehungsweise minus 25 Prozent). Die Auswirkungen von Covid-19 seien demnach in allen Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft zu spüren: Darstellende Kunst (minus 90 Prozent zwischen 2019 und 2020) und Musik (minus 76 Prozent) seien am stärksten betroffen; nur die Videospieleindustrie könne sich einigermaßen behaupten (plus 9 Prozent).

Europäisches Schwergewicht

Vor der Coronakrise war die Kultur- und Kreativwirtschaft demnach ein europäisches Schwergewicht. Mit einem Umsatz von 643 Milliarden Euro hätten die Kernaktivitäten der Kultur- und Kreativwirtschaft bezogen auf den Gesamtumsatz 4,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU ausgemacht. Damit sei der wirtschaftliche Beitrag der Kultur- und Kreativwirtschaft größer als jener der Telekommunikations-, Hightech-, Pharma- oder Automobilindustrie. Seit 2013 habe sich der Gesamtertrag um 93 Milliarden Euro und somit um fast 17 Prozent erhöht.
Auch für den Arbeitsmarkt spiele der Bereich eine wichtige Rolle. Ende 2019 seien in den 28 EU-Ländern mehr als 7,6 Millionen Menschen in der Kultur- und Kreativwirtschaft beschäftigt gewesen. Über 90 Prozent der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft seien kleine oder mittlere Unternehmen, und 33 Prozent der Arbeitskräfte selbstständig – mehr als doppelt so viele wie in der gesamten europäischen Wirtschaft.
Zwischen 2013 und 2019 verzeichneten die zehn Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft unterschiedliche, aber konstante Wachstumsraten: mehr als 4 Prozent pro Jahr für Videospiele, Werbung, Architektur und Musik, zwischen 0,5 und 3 Prozent für audiovisuelle Inhalte, Radio, bildende Kunst, darstellende Kunst und Bücher. Nur die Presse habe einen Rückgang (minus 1,7 Prozent) erlitten, »aufgrund des schwierigen Übergangs von Print- zu Onlineumsätzen«, so die Studie.

Kreative als Multiplikatoren

Aus dem wirtschaftlichen Einbruch durch die Pandemie ziehen die Unternehmensberater in ihrer Studie drei Schlüsse: Zum einen müssten öffentliche Mittel in erheblichem Umfang bereitgestellt und private Investitionen in kulturelle und kreative Unternehmen, Organisationen und Kreative gefördert werden, um die wirtschaftliche Erholung und Transformation in den betroffenen Branchen zu unterstützen und zu beschleunigen.
Daneben sei eine Förderung des kulturellen Angebots der EU angeraten: durch einen »soliden Rechtsrahmen, der private Investitionen in Produktion und Vertrieb ermöglicht und vorantreibt, die notwendigen Voraussetzungen für unternehmerische Renditen bietet und für die Kreativschaffenden angemessene Einnahmen gewährleistet.« Schließlich solle die Kommission Kreative »als Multiplikator nutzen«, sie könnten Beschleuniger für soziale, gesellschaftliche und ökologische Veränderungen in Europa sein.